Die Zeit läuft. Manchmal schneller, manchmal langsamer, aber sie läuft. Die Zeit läuft unaufhörlich. Sie rast, stolpert und schlingert. Sie wird zur Ewigkeit. Die Zeit kann man nicht anfassen, nicht greifen und auch nicht festhalten. Ist sie da, verschwindet sie auch schon wieder. Die Zeit ist unser kostbarstes Gut.
Früher, als ich jünger war, dachte ich, mit 30 ist man alt, erwachsen und weiß, wie’s geht, das Leben und so. Mit Ehemann, Kindern und Hund in der Vorstadt leben, einen Garten zum Spielen und andere Mütter zum Tratschen. Ein bisschen wie bei Desperate Housewives. Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe, nicht mal, dass ich mir all das gewünscht hätte, ich dachte einfach, das ist Leben. Hinterfragt habe ich es damals nie.
Und je älter ich wurde, desto weiter entfernt schien mir diese jugendliche Vorstellung von einem Lebensplan. Mit 25 war ich mit der Uni durch und hatte trotzdem keinen Plan, wie denn mein Leben später aussehen sollte. Wobei später nicht mehr später, sondern eigentlich jetzt war. Die Zeit lief. Und während andere immer häufiger von Kindern, Heiraten und Hochzeiten redeten, desto weniger bezog ich das auf mich, desto weniger konnte ich mir vorstellen, mit 30 genau das zu haben, das zu sein, was ich mit 15 für erwachsen gehalten hatte.
Mit 30 ist man erwachsen
Dann wurde ich 30 und die erwartete große Katastrophe blieb aus. Vielleicht auch weil ich mich schon mit meiner Hochzeit gegen all das, was andere erwarteten und sich wünschten, entschieden hatte. Ich hatte einfach in aller Heimlichkeit in New York ja gesagt. Kein Junggesellinnenabschied, keine große Party, kein Tamtam. Meine Hochzeit war meine Hochzeit. Und auch wenn ich damit andere enttäuscht hatte, ich hatte das gemacht, was ich mir gewünscht hatte. Mit 30 war ich frei.
Kinder kriegen, ein Haus bauen, im Sommer in den Urlaub fahren: all das war auch mit 30 nicht das, was ich wollte. Mit 30 hatte sich nichts geändert. Und auch wenn ich mit 30 natürlich sehr viel erwachsener geworden war als mit 15, 20 oder auch mit 25, so erwachsen, wie ich mir das mit 15 vorgestellt hatte, das war ich immer noch nicht. Bin ich nicht. Ich wohne nach wie vor in einer kleinen Mietwohnung und verbringe meine Freizeit im Ponystall. Wenn mir das jemand mit 15 gesagt hätte, ich hätte ihn ganz sicher erst ausgelacht und dann mit großen Augen angesehen und gefragt: „Wirklich??“.
Die Zeit läuft.
Heute weiß ich, dass ich erst 30 werden musste, um meine eigenen Wünsche über die von anderen zu stellen. Erst mit 30 wusste ich, das ist mein Leben und es geht keinen etwas an, was ich daraus mache. Nur weil ich immer noch keinen Kinderwunsch verspüre und weder Eigenheim noch Versicherungen bis an die Zähne besitze, macht mich das nicht zu einem schlechten Menschen. Schließlich tue ich damit niemandem weh.
Und ganz ehrlich? Manchmal glaube ich, dass diejenigen, die am lautesten schreien und am vehementesten nach Sicherheiten, nach der Zukunft fragen, insgeheim selbst unzufrieden mit all ihren Verpflichtungen sind. Ich bin glücklich, auch ohne Haus und Kinder. Und mittlerweile pfeife ich darauf, dass andere meinen, sie wüssten, was gut und richtig für mich ist, selbst wenn es gut gemeinte Ratschläge von Familie oder Freunde sind.
Ich freue mich jeden Tag darauf, meinen Alltag so zu gestalten, wie ich es möchte und nicht so, wie andere es gerne hätten. Was natürlich nicht heißt, dass ich nicht auch unliebsame Dinge wie die Buchhaltung erledigen muss. Aber im Großen und Ganzen kann ich jeden Tag genau das machen, was ich möchte, das, was mich glücklich macht.
Das Kostbarste, was wir besitzen, ist Zeit
Ich muss nicht ständig auf irgendwas warten, nicht auf den Feierabend, nicht aufs Wochenende und nicht auf den Jahresurlaub. Und auch wenn anderes das nicht verstehen können, dass es für mich ok ist, dass jeder Tag ein Arbeitstag ist, dass ich kein Wochenende und keinen bezahlten Urlaub habe, dann bin ich trotzdem genau damit sehr zufrieden. Denn das unbezahlbarste, was wir haben, ist Zeit. Die Zeit läuft immer weiter, kennt keinen Feierabend, keine Beförderung und auch kein Irgendwann. Die beste Zeit ist jetzt, nicht später und nicht von irgendwelchen „wenn, dann-Sätzen“ abhängig.
Zeit ist ein Geschenk und gleichzeitig etwas, das wir uns nehmen müssen, bevor es verschwindet. Zeit wartet nicht, sie läuft, für jeden von uns. Warum also etwas von diesem kostbaren Geschenk verschwenden? Warum nicht einfach den Moment genießen und zufrieden sein, mit dem, was wir haben, mit dem, was uns glücklich macht? Warum eigene Zeit damit verschwenden, anderen den eigenen Lebensentwurf aufzuzwingen? Warum anderen erzählen, sie seien nicht glücklich, es sei nicht richtig, wie sie ihr Leben führen?
Glück bedeutet für jeden etwas anderes
Solange jemand glücklich ist, mit dem, was er tut, sollten wir aufhören das ständig beurteilen zu müssen. Jeder geht seinen eigenen Weg und solange er damit niemandem schadet, ist es ein guter Weg. Und gerade die furchtbaren und schrecklichen Ereignisse der letzten Tage, Wochen und Monate haben doch gezeigt, wie wichtig es ist, keine Zeit zu verschwenden. Denn wann unsere Zeit abgelaufen ist, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass wir sie genutzt haben sollten.
Was macht euch glücklich? Ein Tag am Meer?
hey, das hast du schön geschrieben. wirklich sehr schön. ich habe an meinem 30. geburtstag rotz und wasser geweint, einfach weil ich dachte, jetzt bin ich alt. bald werde ich 40 und freue mich, dass auch ich mittlerweile genau weiss, was ich möchte und was gut für mich.
zeit: nutze sie und ich weiss, dass du es tust.
liebste grüße!
Ganz, ganz, ganz großartiger Beitrag! Ich kann das absolut so unterschreiben. Ich habe noch 2 Monate bis zur 30^^, aber ich kann deine Gedanken total nachvollziehen und hätte es nicht besser ausdrücken können!
Liebe Grüße und dir ein schönes Wochenende :-)
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich darüber gefreut habe :)
Liebe Grüße an dich!!